Achtsam führen will gelernt sein
Führungspersonal bekommt das Tempo in der Unternehmenswelt besonders zu spüren. Sie müssen Strategien umsetzen – zusätzlich zum Tagesgeschäft. Zugleich sollen sie ihre Teams für die neuen Ziele gewinnen und klar, fokussiert und authentisch sein. Die zunehmende Beschleunigung und Informationsdichte kann zu Überarbeitung und Erschöpfung führen.
Bei LANXESS trafen sich einige Führungskräfte zu Workshops und Lerngruppen, um herauszufinden, was Achtsamkeit zur Leistungsfähigkeit und dem Führungsverhalten beiträgt. Begleitet wurden sie durch die Unternehmensberatung awaris. Für kleine Herausforderungen, sagt Liane Stephan, Geschäftsführerin von awaris, reiche der eigene Kopf, der eigene Schreibtisch. Doch die großen Herausforderungen, vor denen Unternehmen heute stehen, erforderten mehr Offenheit.
„Durch Achtsamkeit lernen wir, unseren Geist zu beobachten. Das befähigt uns, mit uns selbst und anderen in Kontakt zu treten. Es ist die Grundlage dafür, den Wandel im Unternehmen zu bewältigen. Denn was nützt die beste Managementmethode, wenn ich gar nicht mitbekomme, was um mich herum passiert?“
Liane Stephan,
Geschäftsführerin von awaris
Aus der Sicht der awaris-Geschäftsführerin Liane Stephan hilft Achtsamkeitspraxis
- Emotionen zu regulieren,
- Haltungen zu verändern,
- offen für ungewohnte Lösungen zu werden,
- besser zuzuhören,
- anderen auf Augenhöhe zu begegnen,
- eigene Positionen infrage zu stellen und
- konstruktive Sichtweisen einzuüben.
Achtsamkeit hilft, Aufgaben besser zu priorisieren
Eric Schneider, Abteilungsleiter in der LANXESS IT und verantwortlich für Datenqualität und Migration, war damals zunächst neugierig. Er wollte erkennen, „wie man sich in der heutigen Welt auf die Dinge fokussieren kann, die wirklich wichtig sind“. Denn einstürmende Informationen und die Vielfalt der Kommunikationsmittel lenken nach seiner Erfahrung davon ab, Aufgaben zu priorisieren.
Bis zu den Workshops im Jahr 2020 hatte er sich mit Achtsamkeit noch nicht beschäftigt. Doch er und seine Managementkolleginnen und -kollegen fanden es „sehr gut, die Perspektive zu erweitern“. Heute resümiert er: „Das Angebot und die Zeitinvestition waren äußerst sinnvoll“.
Die neue Perspektive verändert den Joballtag
Eric Schneider nimmt sich heute regelmäßig die Zeit, seinen Arbeitstag zu gestalten und Bilanz zu ziehen. Das geschieht jeden Morgen, circa eine halbe Stunde, um
- die aktuelle Agenda zu prüfen,
- den persönlichen Status wahrzunehmen,
- den Tag geistig aufzubauen, das heißt, zu entscheiden, was wirklich wichtig ist und was an diesem Tag nicht bearbeitet wird.
Abends blickt Eric Schneider auf das Erreichte zurück. Dies tut er auch am Ende der Woche und des Monats. „Heute bin ich viel zufriedener“, berichtet er. Es entsteht kein Frust mehr, weil wegen zu vieler Ad-hoc-Anfragen das Wesentliche zu kurz gekommen wäre. Die Hauptunterschiede zu früher sind:
- Nicht jede Mail wird gleich beantwortet.
- Nicht jeder Anruf wird entgegengenommen.
- Blitzaufträge dürfen gegenüber wichtigeren, größeren Aufgaben zurückstehen (außer im Notfall).
- Meetings finden themenbezogen und bedarfsgerecht statt, nicht wegen des Austauschs an sich. Das reduziert die Zahl der Meetings.
Das Team profitiert ebenfalls von mehr Achtsamkeit
Eric Schneider gesteht auch allen Teammitgliedern zu, Aufgaben individuell zu gewichten. Er betrachtet deren Situation mit mehr Verständnis. Gemeinsam wollen sie Topqualität abliefern. „Das kann auch mal zu einer Neuterminierung und Neupriorisierung führen“, sagt er. Wenn mehr Zeit erforderlich ist, weiß er dies mitzuteilen. Er stellt fest: „Unterm Strich sind wir auf diese Weise verlässlicher geworden. Das bringt positives Feedback – und kein negatives, auch wenn für das Wunschergebnis mal eine Deadline verschoben werden musste.“
Auch Liane Stephan sieht diese Arbeitsweise positiv: „Ein achtsamer, partizipativer Führungsstil bedeutet, ich lasse die Idee los, dass ich als Führungskraft mehr wissen muss als meine Teammitglieder – zugunsten einer gemeinsam entwickelten Lösung.“
„Achtsamkeit hilft mir persönlich, meine Aufgaben zu priorisieren. Ich sehe es positiv, auch den Teammitgliedern entsprechende Freiheiten zu geben.“
Eric Schneider,
Head of Data Quality & Migration, Group Function IT, LANXESS
Achtsamkeit: Zeit als kritischer Faktor

Zwei Minuten auf den eigenen Atem konzentrieren? Für Anfänger unmöglich! Doch wer es wenigstens versucht, der merkt, wie ablenkbar und fragmentiert der Geist geworden ist – durch permanente Reize. Dass Gedanken wandern, ist zwar eine ihnen innewohnende Eigenschaft. Doch dass sie kaum noch zur Ruhe kommen, liegt an den typischen Arbeits- und Freizeitbedingungen des modernen Lebens. Achtsamkeitsübungen an sich nehmen nicht viel Zeit in Anspruch. Doch sie erfordern Regelmäßigkeit. Typische Misserfolgsfaktoren sind daher:
- Die Erschöpfung der Teilnehmenden ist zu groß, als dass sie sich auf das Zur-Ruhe-kommen einlassen könnten.
- Der Transfer in die Praxis gelingt nicht, weil der Zeitdruck die Teilnehmenden überwältigt.
- Momente der Stille, des physischen Innehaltens und der Selbstbeobachtung werden immer wieder als unangenehm empfunden. Dann könnten bewegungsorientierte Formen wie Joggen in der Natur als Alternative zu den eher meditativen Achtsamkeitsübungen genutzt werden.
Erste Ergebnisse: weniger Stress, höhere Produktivität
In einem zehnwöchigen Achtsamkeitsprogramm loteten LANXESS-Führungskräfte seit einigen Jahren aus:
- was Achtsamkeit mit Leistungskraft zu tun hat,
- wie sich mit Achtsamkeit ein stressfreierer Arbeitstag organisieren lässt und
- was Achtsamkeit unter anderem in puncto Digitalisierung und Komplexität bringt.
Nach den Workshops und Lerngruppen kamen die Teilnehmenden zu folgendem Fazit:
- Achtsamkeit ist im Alltag hilfreich und relevant.
- Achtsamkeit nützt bei der Führung von Teams.
- Einige Teilnehmende setzen die Praxis und den Austausch in ihrer Gruppe fort.
Die stärksten Resultate waren:
- Höhere Produktivität
- Bessere Kooperation
- Stärkere Präsenz
- Weniger Anspannung
- Weniger Sorgen