Ein Schritt in die Zukunft
Herr Hellwig, welche Vorteile bietet die Digitalisierung für ein Chemieunternehmen wie LANXESS? Schließlich ist LANXESS noch immer ein produzierendes Unternehmen …
In der chemischen Produktion bieten sich herausragende Möglichkeiten durch die fortschreitende Digitalisierung. Wir waren schon sehr lange hoch automatisiert, gehen jetzt aber konsequent den Weg der Digitalisierung. Dabei nutzen wir die bereits gesammelten Daten aus unterschiedlichen Quellen, intern wie extern, und verbinden diese auf einer Cloud-basierten Plattform. Ziel ist es, den Mitarbeitenden bei LANXESS die für gute und schnelle Entscheidungen benötigten Daten zeitnah zur Verfügung zu stellen. Damit verändern sich die Arbeitsabläufe. Wir gehen weg davon, aufwendig die Daten zu sammeln und bewegen uns hin zur Analyse rechnergestützter Optionen. So können wir das umfangreiche Wissen und die Erfahrungen unserer Chemiker, Ingenieure und anderer Spezialisten viel effektiver nutzen, während eine Software die Routineaufgaben übernimmt. Damit gehen wir einen Schritt in die Zukunft: Wir begnügen uns nicht mehr mit dem Beschreiben der Vergangenheit, sondern analysieren heute Optionen für künftige Entscheidungen. Dabei haben wir bereits tolle Erfolge erzielt, sind aber nach meiner Meinung erst am Anfang dessen, was möglich ist.
Inwiefern reduziert das den CO2-Ausstoß, hilft es LANXESS, klimaneutral zu werden?
In jedem Schritt unserer Wertschöpfungskette können wir dank der Digitalisierung CO2 einsparen. Hauptziel ist das optimierte Fahren unserer Anlagen. Damit können wir den benötigten Energieverbrauch senken, Abfall und CO2 reduzieren. Durch besser abgestimmte Produktionsplanung und optimierte Logistikabläufe verringern wir weitere Emissionen. Die Kollegen sind übrigens hoch motiviert, seit sie Zeugen der ersten Erfolge wurden. Das war für mich eine der interessantesten Erkenntnisse. Sie brennen förmlich darauf, die neuen Technologien zu nutzen. Und dabei beschränken wir uns nicht auf die Reduzierung des CO2-Ausstoßes, sondern gehen konsequent auch in neue Bereiche wie die Produktentwicklung.
Was dürfen wir darunter verstehen?
Im Bereich der Produktentwicklung waren wir bisher auf die Abfolge von vielen analogen Prozessen angewiesen: Wir haben viele Versuche in unseren Laboren und Pilotbetrieben gemacht, bis wir das gewünschte Ergebnis erreicht hatten. Dies haben wir sukzessive nun auf ein algorithmusbasiertes System umgestellt, das wir zusammen mit einer Tech-Firma aus dem Silicon Valley entwickelt haben. Mit diesem System konnten wir zum Beispiel in relativ kurzer Zeit eine neue und verbesserte Rezeptur für Glasfasern ausarbeiten, die nun für unsere Hochleistungskunststoffe eingesetzt wird. Wir sehen aber auch diesen Erfolg nur als einen ersten Schritt hin zu weiteren Einsatzmöglichkeiten. Das Arbeiten mit Algorithmen und der Einsatz künstlicher Intelligenz wird uns helfen, eine ganz neue Art von Produkten zu entwickeln. Nämlich solche, die die gleichen Eigenschaften wie die bisherigen besitzen, gleichzeitig aber weniger Emissionen ausstoßen und den neuen Anforderungen des Green Deals der Europäischen Union entsprechen. Damit kommen wir unserer Verantwortung nach und nutzen noch stärker und konsequenter die jetzt zur Verfügung stehenden Technologien.
Die Verbindung von Klimazielen und der Digitalisierung …
… kann und muss gemeinsam betrachtet werden. Die neuen Technologien werden uns helfen, bereits in der Produktentwicklung auf die Recycelbarkeit zu achten. Circular Economy darf nicht mehr auf technisches Recycling begrenzt sein. Wir arbeiten motiviert daran, Produkte herzustellen, die am Ende des Lebenszyklus fast vollständig wieder in ihre Ursprungsbestandteile zurückgebracht werden können. Das können wir nicht alleine, sondern müssen unsere Lieferanten und Kunden mit einbinden. Wir wollen aber auch hier eine Vorreiterrolle einnehmen.
In welchen Bereichen sehen Sie noch Potenzial für CO2-Einsparungen durch eine verstärkte Digitalisierung?
Wie schon erwähnt: in allen Bereichen. Jeder Schritt wird von uns analysiert und daraufhin überprüft, ob auf ihn verzichtet werden kann. Das beginnt mit der Rohstoffbeschaffung, geht weiter in der Logistik, Produktionsplanung und -steuerung und dann durch alle weiteren Stationen bis zum Ende der Wertschöpfungskette. In enger Kooperation mit unseren Partnern, also unseren Lieferanten und Kunden, gehen wir hier Schritt für Schritt vor. Auch dabei besteht die Notwendigkeit, auf Plattformen zu arbeiten, damit die Daten kollaborativ auch über Unternehmensgrenzen fließen können und ständig an der Optimierung der gesamten Kette gearbeitet werden kann.
Aber all diese Ansätze kosten erst einmal viel Geld. Lohnt sich das schon heute für LANXESS?
Sie kosten nicht nur Geld, sondern erfordern auch viel Mut, Veränderungswillen und Motivation. Die Erfolge sind heute schon sichtbar, der „return-on-invest“ ist da und dies bestärkt uns darin, diesen Weg nicht nur weiter zu gehen, sondern ihn am liebsten mit einem Sprint zu nehmen. Wir wollen all das, was möglich ist, so schnell wie es geht, umsetzen.
Wird LANXESS am Ende noch eine Softwarefirma?
Im Kern sind und bleiben wir eine Spezialchemiefirma. Zusätzlich produzieren wir jetzt aber auch unsere eigene Software und sehen in dieser Kombination eine tolle Chance des weiteren profitablen Wachstums. Wir denken bereits in erweiterten und neuen Geschäftsmodellen auf der Basis neuer Technologien. Mit Chemondis, Europas größtem und bedeutendstem digitalen Marktplatz für Chemikalien, ist uns das schon gelungen. Deswegen sind wir zuversichtlich, dass wir dies auch in weiteren Bereichen schaffen werden.